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Mirko Kloppenburg über New Process und die Einführung und Kommunikation von Prozessen

Wie hat sich das Prozessmanagement in den letzten zwanzig Jahren entwickelt? Vor welchen Herausforderungen stehen Prozessmanager*innen dabei heute? Und welche Aspekte sind bei der Entwicklung und Einführung von Prozessen besonders wichtig? Mirko Kloppenburg, Head of Process Excellence Methods & Tools bei der Lufthansa Group & Gründer des NewProcessLab.com, gibt Antworten im Interview.

Mirko Kloppenburg, Head of Process Excellence Methods & Tools
bei der Lufthansa Group & Gründer von NewProcessLab.com

Als Head of Process Excellence Methods & Tools bei der Lufthansa Group arbeitet Mirko mit seinem Team im und am Prozess des Prozessmanagements. Als Gründer von NewProcessLab.com verfolgt er als Speaker und Experte nun einen human-centric BPM-Approach, bei dem Menschen in den Vordergrund des Prozessmanagements gerückt werden.

Mirko, du arbeitest nun seit ca. 20 Jahren am Thema Prozesse. Wie hat sich das Prozessmanagement im Laufe der Jahre entwickelt?

Das kommt natürlich ein bisschen auf die Branche an, in der man über Prozesse spricht. Bei mir hat das Ganze 2001 in einem Projekt angefangen, bei dem das Thema noch keinen großen Reifegrad hatte. Hier ging es also erst mal nur darum, einen Prozess in Powerpoint festzuhalten und mit den Mitarbeitenden darüber zu diskutieren.

Das hat sich im Laufe der Jahre in vielen Bereichen und vielen Organisationen entwickelt und das Thema Prozessmanagement ist als Ganzes professioneller geworden. Damit ist auch das Angebot an etablierten Tools gewachsen. So hat sich am Ende BPMN 2.0 als Standard herauskristallisiert, um Prozesse zu dokumentieren.

Ob das immer die richtige Notation ist, hängt für mich stark davon ab, was das Ziel des jeweiligen Prozessmanagements ist. Geht es mir darum, Prozesse zu automatisieren und auf Basis eines Modells möglichst simpel Code zu generieren, ist BPMN 2.0 sicherlich das Richtige. Geht es mir aber darum, Mitarbeitenden zu schulen, sie einzuarbeiten oder ihnen Vorgaben auf den Weg zu geben, muss ich mit schlanken Lösungen an die Sache rangehen. Hier ist also die Frage: Was ist der Purpose meines Prozesses?


„Und genau da liegt der Kern von New Process: den Bedarf der Menschen, die in und an den Prozessen arbeiten, in den Vordergrund zu stellen.“


Stichwort Purpose – das ist ja auch einer der Werte des New Process Manifestos. Wie kam es zu New Process und was steht dabei im Vordergrund?

In meiner Erfahrung ging es in den letzten 20 Jahren immer um „höher, schneller, weiter“. Sei es Prozessautomatisierung, -standardisierung oder neuerdings eben auch Themen wie Process Mining. Das ist in weiten Teilen sicherlich methodisch auch das Richtige, aber in meiner Erfahrung passiert dabei Folgendes: Der Mensch, der im oder am Prozess arbeitet, steht absolut nicht mehr im Fokus.

Gerade wenn es um komplexe Prozesse geht, lassen sich Menschen nicht einfach wegautomatisieren. Sie sind dann diejenigen, die die Expert*innen für diese Tätigkeiten sind. Und genau da liegt der Kern von New Process: den Bedarf der Menschen, die in und an den Prozessen arbeiten, in den Vordergrund zu stellen.

Dazu haben wir entsprechende Prinzipien entwickelt: Menschen im Prozess zu vertrauen, sie mit einzubeziehen, ihre Entwicklung zu fördern und die Prozesse so zu gestalten, dass sie auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten sind. Da spielt auch wieder der Purpose eine ganz große Rolle.

Wofür mache ich das eigentlich? Wozu habe ich eigentlich Prozesse und was möchte mein Unternehmen damit erreichen? Das sind Fragen, die wir beantworten und nutzen müssen, um die Mitarbeitenden abzuholen und für das, was wir machen, zu begeistern, anstatt sie mit einer drögen Prozessdokumentation abzuholen, auf die eh keiner Bock hat.


„Was ich dabei besonders schön finde, ist, wenn man das Thema als Simulation oder Spiel aufbereitet, um die Menschen spielerisch erleben zu lassen, wie dieser Prozess eigentlich aussieht.“


Welche Möglichkeiten habe ich dabei, über eine klassische Prozessdokumentation hinauszugehen, um genau diese Begeisterung auszulösen?

Idealerweise frage ich die Leute direkt, was ihnen helfen würde, und entwickle das dann mit ihnen gemeinsam. Was ich dabei besonders schön finde, ist, wenn man Prozessschulungen als Simulation oder Spiel aufbereitet, um die Menschen spielerisch erleben zu lassen, wie dieser Prozess eigentlich aussieht, und die Leute eben spüren zu lassen, wie sich das in der Realität anfühlt.

Ein Beispiel dazu wäre der Innovationsprozess, den wir bei der Lufthansa vor mehreren Jahren implementiert haben. Dazu haben wir ja auch zusammengearbeitet. Ich habe das damals als Teilnehmer mitgespielt und erinnere mich an ein großes Brettspiel, das im Training auf dem Tisch lag, das wir dann spielerisch durchgegangen sind. Das war sehr cool, weil es einfach eine ganz neue und andere Art war, als den Prozess im Prozessmodell gemeinsam durchzugehen.

Ein anderes Beispiel wäre das „Pizza Game“, bei dem wir eine Simulation des Prozesses des Prozessmanagements bei der Lufthansa erstellt haben. Die Kolleg*innen sind dazu in kleine Teams gegangen, die jeweils eine Pizzeria darstellten. Dazu haben alle einen Prozessablauf bekommen, wie sie eine Pizza herstellen, und das dann mit Post-its an ihren Tischen simuliert.

In der ersten Runde waren die Ergebnisse dabei natürlich ziemlich unterschiedlich in der Performance, bis hin zu Minuspunkten, wenn Teams in der vorgegebenen Zeit eben keine Pizza hinbekommen haben. Dann haben wir die Teams lokale Verbesserungsrunden drehen lassen und uns abends gemeinsam hingesetzt und aus den Best Practices der lokalen „Pizzerien“ einen globalen Prozess erstellt.

Am nächsten Morgen haben wir diesen den Teams dann vorgestellt und durch eine Schulungsmaßnahme einüben lassen. Das Ergebnis? Alle Werte gingen stark nach oben und haben sich deutlich angeglichen. So konnten wir den Teilnehmenden spielerisch vermitteln, dass der Prozess des Prozessmanagements durch lokale Innovationen und eine globale Skalierung dieser Innovationen zu einer höheren Prozessperformance auf einer globalen Ebene führt.


„Ich muss mich schon bei der Entwicklung fragen: Wie informiere ich die Mitarbeitenden, die im Prozess arbeiten, über die Änderungen?


Wie wichtig ist es, die Beteiligten am Prozess schon bei der Entwicklung einzubeziehen? Und wie spielt da auch eine entsprechende Kommunikation der Neuerungen mit?

Das ist für mich extrem wichtig. Ich muss mich schon bei der Entwicklung fragen: „Wie informiere ich die Mitarbeitenden, die im Prozess arbeiten, über die Änderungen?“ Eine E-Mail oder im Worst Case nur eine Benachrichtigung im System kann da nicht die Antwort sein.

Ein konkretes Beispiel wäre dabei die Zukunftswerkstatt, in der wir neue Wege gegangen sind, kulturelle Veränderungen mit den Mitarbeitenden gemeinsam zu erarbeiten. Und das eben nicht in einem grauen Bürogebäude zu tun, sondern bewusst in einem mobilen Container, draußen. Mit einem auffälligen Design, das anders ist, um jeden mitbekommen zu lassen: Da passiert gerade was.

Auch war der Container transparent. Man konnte jederzeit durch die Fenster reinschauen und die Workshops sehen. Und selbst wenn keine stattgefunden haben, war der Container jederzeit geöffnet, sodass die Leute ihr Feedback und ihre Ideen auch nachträglich mit Post-its an den Wänden ergänzen konnten.

Das bedient auch wunderbar die drei Optionen, die ich habe, um Leute abzuholen. Die erste ist, das Angebot zu machen, live bei der Erarbeitung dabei zu sein. Die zweite ist, Workshopergebnisse schnellstmöglich zu kommunizieren und die Möglichkeit zu bieten, Feedback zu geben und sich auf diese Weise indirekt einzubringen. Und die dritte Option ist eine transparente und kontinuierliche Kommunikation, für diejenigen, die vielleicht einfach keine Zeit finden, sich über die ersten beiden Optionen einzubringen.

So schafft man eine hohe Transparenz und Einbindung der Beteiligten, woraus eine sehr viel höhere Akzeptanz entsteht, als wenn ich lediglich eine Mail schreibe und die Leute vor vollendete Tatsachen stelle.

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